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Barrierefreiheit stets berücksichtigen

Hans Kühn vom Blinden- und Sehbehindertenverein referiert im Ötigheimer Rat

 

Ötigheim (rjk) — „Wir sollten jeden Menschen in seiner Verschiedenheit wahrnehmen und gemeinsam an einer Gesellschaft arbeiten, die Vielfalt und Inklusion ermöglicht, in der niemand um soziale Teilhabe kämpfen muss. Und wir sollten unsere Umgebung so gestalten, dass Barrierefreiheit zur Norm wird", mit diesem leidenschaftlichen Plädoyer für eine vielfältige inklusive Gesellschaft eröffnete Hans Kühn, Vorsitzender der Bezirksgruppe Mittelbaden im Blinden- und Sehbehindertenverein Südbaden, die erste Sitzung des Ötigheimer Gemeinderates im neuen Jahr.

 

„Immer wieder erlebt man es, dass Menschen im Alltag innehalten, weil ihr Blick auf einen behinderten Menschen fällt. Man sieht die Fragezeichen in ihrem Gesicht. Hat er Schmerzen? Ist das eine Krankheit?" Mit diesen Worten startete der blinde Ötigheimer seine kritische Auseinandersetzung mit einer „defizitären Sichtweise, die Menschen auf ihre scheinbare Krankheit, ihre Behinderung reduziert", wie er sagt.

 

Doch woher rührt diese Sichtweise? Kühn führte zwei populäre Ansätze zum Thema „Behinderung" ins Feld. Zum einen das medizinische Modell, „bei dem der behinderte Mensch und seine Behinderung als Problem empfunden werden". Er werde dabei auf sein Defizit reduziert. Den Gegensatz zu diesem klassischen Ansatz bilde das soziale Modell, das den Blick auf die behindernden Faktoren richte. Die nicht barrierefreie Umgebung werde, so sagt Kühn, von der nicht behinderten Mehrheitsgesellschaft   geschaffen und beibehalten. Erst die mangelnde Barrierefreiheit mache Behinderung zum Problem, weil sie die Menschen vom gesellschaftlichen und beruflichen Leben ausschließe. „Dies zu verändern, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe", betonte der Referent mit Hinweis darauf, dass jeder Nichtbehinderte daran denken sollte, dass er unerwartet selbst behindert sein könnte.

 

Trotz der 2009 in Kraft getretenen UN-Behindertenrechts-konvention dominiere in Gesellschaft, Medizin und Politik nicht die Sicht des sozialen Modells, sondern nach wie vor die defizitorientierte Sicht, bedauerte Kühn, Den Grund dafür sieht der Ötigheimer darin, dass Menschen mit und ohne Behinderung im Alltag kaum Berührungspunkte haben. Inklusion finde in vielen Bereichen noch viel zu selten statt. Überschneidungen mit der nicht behinderten Mehrheitsgesellschaft gebe es kaum.

 

Bürgermeisterstellvertreter Christian Dittmar (FWG) wies darauf hin, dass die Gemeinde Ötigheim die Barrierefreiheit im Ort als Leitlinie für ihr Handeln betrachte. „Wo gibt es in Ötigheim Probleme?", fragte er. Kühn betonte, dass er keine Kritik an einer Kommune habe äußern wollen." Aber wenn ich schon gefragt werde: Wo ist in der Rastatter Straße ein sicherer Übergang für sehbehinderte Menschen? Es gibt dort nur eine akustische Ampel und die Druckampel bei der Apotheke wurde nicht umgerüstet." Diese kleinen Beispiele zeigen laut Kühn, wie wichtig es ist, dass bei Begehungen im Vorfeld auch Betroffene dabei sind. Und auch die Ingenieurbüros müssten schon früh an Barrierefreiheit denken. Kühn empfahl, bereits in der Ausschreibungsphase darauf hinzuweisen.